Gudbrandsdalen - Jotunheimen - Geilo

15. Tag: Lesjaskog - Jotunheimen - Heidal

Ein wahrer Premiumtag kündigt sich an! Die Sonne blitzt vom tiefblauen Himmel und es ist mild bei 12°C, als wir lange auf unserer Hüttenterrasse beim Frühstück sitzen. Wir haben gute Brötchen, noch etwas von der leckeren dänischen Butter (Lurpak!) und eine großartige Erdbeermarmelade, die Angelika beim "REMA 1000" in Molde erstanden hat.

Auf Grund unserer vorzeitigen Abreise in Molde und der Planänderung fahren wir heute nur die zweite Hälfte der geplante Tagesroute. Die erste Hälfte war schon gestern und wir haben wirklich viel Zeit heute. Erst um 12:00 klettern wir auf die Transalps und lenken sie vorsichtig über den unebenen Waldschotterweg auf die Straße.

Nun geht es etwa 40 km auf der E136 durch das Gudbrandsdalen. Die Straße schwingt in gemächlichen und unspektakulären Kurven durch dieses berühmteste (?) und längste (!) Tal Norwegens. Uns fällt die stark ausgeprägte U-Form des Tales auf. Hier haben vorzeitliche Gletscher ganze Schürf-Arbeit geleistet!

Tief unter und neben uns plätschert fröhlich der Lågen entlang und sucht sich unreguliert sein Flussbett selbst. In Österreich wäre dieses Wasser längst in linealgerader Linie in ein Bett eingesperrt und irgendwie wirtschaftlich genutzt. Aber nicht hier! Zumindest sehen wir nichts, nicht die kleinste Staustufe...

Wir beobachten die kieferbewachsenen sanften Hänge des Reinheimen- und Dovrefjell-Nationalparks rechts und links der Straße und die uralten Bauernhöfe, für die diese Gegend berühmt ist. Die Landschaft wird immer karger, je höher wir kommen.

Es hat längst auf frische 9°C abgekühlt, als wir die Ortseinfahrt von Dombås am Dovrefjell erreichen. Nationalparkgemeinde und -zentrum! Uns ist kalt geworden und wir biegen rechts zur großen CircleK-Tankstelle auf heißen Gratiskakao und ein zweites Frühstück ein.

Was ist das bloß, das wir an Tankstellenfrühstücks so mögen? Ist es der Inbegriff von Reise, Fortbewegung, Unterwegssein oder die schnelle und immer unkomplizierte Art der Verpflegung und der Rast? Während wir Hotdogs mampfen schauen wir, was hier so los ist. Wow, hier steppt der Bär! Das Dörfchen ist überrannt von Touristen in bunter Funktionskleidung, man sieht hier noch mehr Wanderstöcke als Selfie-Sticks!

Die Häuser sind aus schwerem dunklem Holz und sehr touristisch-repräsentativ und überall sieht man das Logo mit dem Moschus-Ochsen. Uns ist so kalt und es ist so stürmisch, dass wir aufs Fotografieren ganz vergessen...

Es gibt viele Restaurants und Bars und Didi entdeckt auch ein Postkastl, in das er die gestern geschriebenen Karten nun sorgsam einwirft. Wir verziehen uns in ein windgeschütztes Eck, denn hier stürmt es ganz schön! Und dann - während wir in kleinen Schlucken den leckeren Kakao schlürfen - lesen wir über diesen Nationalpark, dass man hier Wölfe, wilde Rentiere und vor allem die letzten frei lebenden Moschus-Ochsen finden kann!

Heute ist nicht der Tag, aber irgendwann werden wir so eine Wanderung machen und die zotteligen Eiszeit-Riesen besuchen, die wegen exzessiver Bejagung fast ausgestorben waren, bevor Mensch umdachte und sie rettete und hier ansiedelte. Etwa 100 von ihnen sollen derzeit hier um Dombås wohnen...

Als wir die Ansiedlung verlassen, sehen wir am rechten Straßenrand ein großes elektronisches Schild mit der aktuellen Windgeschwindigkeit und Sturmwarnung: 8 Bft., 72 km/h, 20 m/s. Auwei!

In ambitionierter Schräglage kurven wir 45 km weiter die E6 bis Otta. Wir reisen nun am westlichen Rand des Rondane Nationalparks entlang und wir hängen unseren Gedanken an die Reise 2017 nach. Wir haben das Quartier dort so geliebt!

Die kurvenreiche Fahrt ist anstrengend und wir halten in Otta wieder bei CircleK. Es hat 18°C und ist wieder milder. Der Sturm scheint in diesem engen Tal weniger aber wir wollen noch Hotdogs, Gratiskakao und etwas fürs morgige Frühstück einkaufen. Und wir müssen in die Karte schauen, wie wir weiterfahren!

Wir sehen Schilder, die auf Garmo, Bismo, Lom und Geiranger hindeuten. Oh, das ist jetzt ein bissl sentimental. Dort waren wir vor wenigen Tagen erst! Wir merken nun überdeutlich, dass unsere Rundreise langsam zu Ende geht ...

Während Didi die Motorräder ein wenig checkt, kauft Angelika diese leckeren Rosinen-Boller, flaumiges Hefegebäck. Wir haben noch ein wenig Butter im Tankrucksack und Marmelade aus Molde, also sollte das reichen.

Das Tal wird noch enger, als wir auf der E6 weitere 12 km bis Sjoa fahren. Dort biegen wir scharf rechts ein und bei mittlerweile wieder starkem Sturm cruisen wir auf dem Rv257 langsam den Sjoa entlang.

Dieser reißende Wildbach ist ein Zufluss zum Lågen, der ab dem Lesjaskogvatnet das Gudbrandsdalen durchzieht und alle paar Kilometer gibt es eine Einstiegstelle fürs Sjoa-Rafting und Schulen und Trainingscamps für diesen Sport. Heute ist Freitag und wir sind alleine, aber was mag an Wochenenden hier los sein?

In ziemlich grauenvoller Schräglage düsen wir durch das traditionsbewusste Heidalen, bis wir rechter Hand aus den Augenwinkeln eine dramatisch schöne Kirche entdecken. Dunkles Holz und die bunten steinernen Dachschindeln glänzen im Sonnenlicht! Wir steppen hektisch ein paar Gänge herunter und schlenkern die Transalps auf den geschotterten Kirchenvorplatz. Schau, da vorne ist Schatten!

Wir parken entlang der Friedhofsmauer und schauen einmal um uns. Was für ein wunderhübscher Ort! Gepflegte Rasenflächen, auf denen grasgedeckte Häuschen stehen.

Und erst der Friedhof! Ein Schmuckstück, viele Blumen an uralten Grabsteinen und ein sauberer Kiesweg führt zur Kirche. Ob die offen ist? Während wir noch überlegen, kommt ein großgewachsener Mann in Arbeitskleidung auf uns zu. Den lauten Rasenmäher hat er abgestellt. Wir können ihm verdeutlichen, dass wir aus Österreich kommen und die Holzkirche sehen wollen und da läuft er schon zur Höchstform auf.

Auf seinen Rechen gestützt erzählt uns der einfache Arbeiter die Geschichte. Sein gebrochenes Englisch reicht aus, damit wir verstehen. 1754 als Gotteshaus für die Gemeinde gebaut, brannte sie 1933 völlig nieder.

Aber die Leute ließen sich davon nicht entmutigen und schon 4 Jahre später bauten sie die Kirche mit ihrer Hände Arbeit wieder auf. Man hatte noch die Originalpläne aufgehoben, das war Glück.

Wir gehen hinein. Mit diesem Hintergrundwissen schlendern wir durch das friedliche holzgeschnitzte Gotteshaus und sehen auch die vergilbten Fotos vom Wiederaufbau. Wie knorrige Männer mit ernsten Gesichtern und einfachsten Werkzeugen ihre Kirche wieder aufbauen und stolz auf dem schwindelerregenden Holzgerüst balancieren. Unglaublich! Die Ruhe und der Frieden in diesem Holzbau sind berührend.

Manche Kirchen haben eine besondere Energie und man muss schon das Einfühlungsvermögen einer Amöbe haben, um das nicht zu spüren! Wir erfahren auf Info-Blättern auch, dass das Heidalen sehr auf seine Traditionen schaut. Bäuerliche Land- und Forstwirtschaft. Zimmerei, Holzschnitzerei, Malerei und Weberei werden hier immer noch ausgeübt und hochgehalten.

Wir schlendern über den wunderhübschen Friedhof und sehen auch die kleine Bjølstad-Kapelle hinter der Kirche. Sie ist etwa 500 Jahre alt und schaut aus wie eine winzige Stabkirche. Leider ist sie versperrt... Der Gärtner erzählt stolz, dass sie für hohe Festämter immer noch benutzt wird!

Uns wird langsam warm, und wir wollen ins Quartier, die lästigen Motorradsachen los werden. Mit einem letzten Blick auf die hübsche Kirche wenden wir und tuckern vom Platz.

Der Rv257 führt noch wenige Kilometer durchs Heidalen und wir sehen uralte Bauernhöfe, die mitunter schon seit 500 Jahren im Besitz derselben Familie sind! Das Tal wird "das größte lebendige Museum Norwegens" genannt. 1/4 aller denkmalgeschützten Höfe stehen hier und vermitteln den Eindruck eines Gebirgstals vor 100 Jahren. Der älteste Bauernhof stammt aus dem 16. Jhdt.! Das Tal steht unter besonderem Schutz der Regierung, die dessen Eigenart erhalten will...

Die Straße führt nun überraschend über ein paar Kurven immer höher und wir befinden uns plötzlich auf einem Single Track auf einer bergigen Hochebene. Seltsam! Wir dachten, unser Campingplatz wäre im Heidalen?

Aber nach 15 km erkennen wir linker Hand das Jotunheimen Feriesenter an seinen hohen Flaggen, die den Eingang schmücken. Wir verlangsamen das Tempo und holpern über die Zufahrt zur Rezeption. Was für ein einsamer Platz in einer einsamen Gegend!

Wir fühlen uns auf den ersten Blick wohl, es hat sonnige 13°C und es ist erst 16:15. Das ist gut! Da können wir noch richtig lange faulenzen... Das Angebot der Chefin, thailändisches Huhn mit Reis für uns zu kochen, nehmen wir gerne an! Ja, 19:00 ist ok!

So chillen wir ausgiebig auf dem ruhigen Platz und um 19:00 wandern wir in den auffällig dekorierten Aufenthaltsraum und das Huhn schmeckt lecker! Die Dame aus Thailand ist richtig nett und ihre Kinder wuseln fröhlich durch das Gebäude.

An der Wand hängt nebst traditionellen Devotionalien nicht nur ein riesiger Elchkopf, sondern auch ein meterlanges holzgeschnitztes Schild "Hammerseter". Was das wohl ist? "Seter" bedeutet ja nichts anderes als Sitz, Hof, Almwirtschaft...

Bei unserem obligaten Spaziergang aka Platzrunde entdecken wir dann den uralten Bauernhof mit dem Hofnamen "Hammerseter". Dramatisches dunkles Holz, die Eingänge geschnitzt aus altem Wurzelholz. Ob man das aus der Nähe ansehen kann?

Wir latschen also durch das Kiefernwäldchen und entdecken den Gatterzaun, der mit einer einfachen Drahtschlinge versperrt ist. Der soll wohl nur die Tiere des Waldes abhalten, in den Hof einzuziehen... deren Losung ist rund um den Eingang verstreut. Also hinein! Was wir sehen, ist unglaublich.

Die kleinen Gebäude müssen hunderte Jahre alt sein. Grasgedeckt, eh klar. Ist das ein Freilichtmuseum? Nein, da scheinen zumindest ab und zu Leute zu wohnen! Durch die vergilbten winzigen Fenster sehen wir Hausrat und eine einfache Stromleitung verbindet die Dächer des Ensembles...

Obwohl wir uns ein bissl wie Eindringlinge fühlen, spazieren wir noch lange herum und gucken in jedes einzelne Häuschen. Nach 2 Stunden können wir uns losreißen und wandern durch das Nadelholzwäldchen zurück zum Campingplatz. Es ist kalt geworden.

Angelika sammelt noch etwas Rentierflechte für die Reisevitrine zuhause. Leider sehen wir auch heute keine Elche. Wir sitzen noch lange auf der kleinen Hüttenterrasse und lauschen in die Stille. Was für eine schöne Nacht!

Tageskilometer: 132 km

16. Tag: Heidal - Valdresflya - Geilo

Als Angelika um 6:00 aus der Hütte aufs WC stolpert, hat es -2°C und die Transalps sind mit einer feinen Eisschicht überzogen. Puuhhhh, na hoffentlich wird das noch besser! Sie beeilt sich, wieder in die geheizte Hütte zu kommen und kuschelt sich noch einmal in den warmen Hüttenschlafsack. Der Wecker läutet erst um 8:00!

Doch die Wettergöttin liebt uns und so können wir tatsächlich bei 14°C im Sonnenschein frühstücken. Wir mampfen die Rosinenbrötchen mit dem letzten Rest der leckeren dänischen Butter und Erdbeermarmelade.

Nach zwei kurzen Fahrtagen wollen wir heute weiterkommen, aber wir trödeln trotzdem etwas herum und starten erst um 10:30.

Wir biegen gleich links ab. Der Rv257 führt mit wunderbar geschwungenen Kurven durch dichte Kiefernwälder. Auch hier vor Elch-Wildwechsel gewarnt und auch hier sehen wir wieder keinen.

Nach 2,5 km treffen wir an dieser T-Kreuzung auf den Rv51, der östlich den Jotunheimen-Nationalpark entlang führt. Wir tuckern langsam weiter, denn in Randsverk findet ein großer Bauernmarkt statt. Aus den Augenwinkeln erkennen wir allerlei Schönes und Essbares und jede Menge handgestrickte Wollwaren. Aber wir wollen nicht schon wieder stehenbleiben und so fahren wir einfach vorsichtig weiter.

Heute verlassen wir uns auf die Nationale Touristenroute "Valdresflye". Diese Routen sind mit "National Scenic Routes" besser beschrieben: Es gibt jede Menge zu sehen, sie führen durch spektakuläre Gebiete und die Straßen führen meist knapp an den Hotspots vorbei. Klasse!

Und tatsächlich wird die Gegend schnell dramatischer. Die karge Einsamkeit Norwegens hat uns wieder! Und weil diese Gegend nicht Geiranger oder Trollstigen heißt, sind auch fast keine Menschen da.

So ziehen wir langsam unsere Bahnen über das Besseggen-Fjell, immer den Sjoa entlang, der hier als reißender Wildbach neben uns liegt. Angelika hat sich beim Frühstück drei "points of interest" auf einen Zettel notiert, der jetzt im Kartenfach des Tankrucksacks zuoberst liegt. Deshalb wirft sie nach 30 km den Anker und deutet auf das hellbraune Schild, das hier nach rechts weist:

"Gjendesheim 2/Jotunheimen/Besseggen" steht auf dem hellbraunem Blech, das international auf eine Sehenswürdigkeit hinweist. Wir biegen scharf rechts ab. Der unbenannte Weg ist schmal und ziemlich devastierter Asphalt.

Nach 2 km sehen wir unter uns das hellblaue Wasser des Gjende-Sees, der als magisch beschrieben wird. Durch die hohen felsigen Berge, die ihn umrahmen, wirkt er wie ein Fjord! Wir halten am Anleger der Boote, mit denen man über den See schippern kann. Vor der kleinen Schutzhütte trinkt diese Gruppe norwegischer Biker, die wir gestern in Dombås schon getroffen haben, gerade Kaffee. Sie grüßen freundlich zu uns ´rüber.

Jotunheimen - Heimat der Riesen! Wir bestaunen die hohen Gipfel rund um den See, die alle mindestens 2.000 m hoch sind. Ungewöhnlich hoch in einem Land, in dem bereits wenige hundert Höhenmeter alpines Gefühl aufkommen lassen! Wir kneifen die Augen zusammen und entdecken am Besseggen-Grat ganz winzig eine Gruppe Wanderer. Wow! Muss man wollen, so hoch da oben!

Aber wir lesen, dass hier ein berühmter Einstieg in den Jotunheimen und die Wanderung über diesen Grat eine sehr beliebte mehrtägige Hüttentour ist. Es hat auf 9°C abgekühlt und der Wind frischt ziemlich auf. Für uns gibt es hier nichts mehr zu tun und nach vielen Fotos fahren wir wieder zurück zum Rv51.

Haben wir gedacht, dass wir heute schneller vorwärts kommen, weil es keine "offiziellen Hotspots" zu sehen gibt? Wie naiv!

Schon 10 Minuten später steppen wir bei einer kleinen Ausweiche auf der stark ansteigenden Straße hektisch die Gänge herunter und lassen die Transalps am Straßenrand ausrollen. Meine Güte, ist das hier ein sensationeller Ausblick! Wie schön dieses Norwegen auch an unbekannteren Ecken ist!

Vor uns breitet sich die Fjellebene aus, rechts ein kleiner See, glitzernde Bäche durchziehen die Kargheit und umrahmt wird das ganze von den düsteren Hängen des Jotunheimen, die noch Schneemützen tragen. Wir sind sprachlos und berührt von diesem Anblick und können uns lange nicht loseisen. 

Wir genießen die ruhige Fahrt immer höher über das Valdresflya-Fjell! Es wird karger und karger und die letzten moosbewachsenen Steine werden von Felsgeröll abgelöst. In der unglaublichen Weite solcher Fjells ist es ein tolles Gefühl, so ruhig und langsam und entspannt dahin zu fahren!

Auf Angelikas Zettel steht "Steinplassen" und tatsächlich entdecken wir an der höchsten Stelle der Geröllwüste diese seltsame Steinformation. Jeder Norwegenreisende kennt die kleinen "Steinmanderl", die auf Gebirgswanderungen vor Trollen schützen (oder einfach den Weg weisen) sollen.

Aber das hier? Haben hier die Riesen aus Jotunheimen ein Steinmanderl zu bauen versucht? Oder ist es schlicht und einfach ein Kunstwerk, hier von Menschenhand auf den Gipfel gestellt? Die Formation ist riesig! Während Angelika vom Motorrad aus fotografiert und für verschiedene Perspektiven dabei immer ein wenig vorwärts paddelt, fährt Didi langsam weiter und filmt das Fjell. Hier gibt es sogar Rentiere, aber leider nicht für uns...

Nach dem Steinplassen geht es über eine schnurgerade Straße stetig bergab. Fast ist man traurig, das spektakuläre Fjell zu verlassen, aber schon nach fünf Minuten eröffnet sich linker Hand ein grandioser Aussichtsplatz: Rjupa! Nein, schnell voran kommen wir heute nicht...

Als Angelika die Transalp zusammenschleift, steht Didi schon grinsend auf dem steil abfallenden Parkplatz und deutet begeistert auf die Aussicht. Obwohl es hier bei nur 6°C und steifer Brise ziemlich kalt ist, machen wir lange Pause.

Ein sensationeller Ausblick fesselt unseren Blick! Unter uns glitzert der dunkelblaue Vinstrevatn, an dessen Ufer sich ein schmaler Pfad entlang in die Ferne windet: Die "Milchstraße"! Warum der Jotunheimvegen so genannt wird, ist auf einer Schautafel erklärt:

Mussten in alter Zeit die Bauern mit kleinen Booten den See mit ihren Milchlieferungen überqueren, um von ihren kleinen Almen zum Markt nach Bygdin zu kommen, baute man später diesen Saumpfad, um die tägliche Arbeit zu erleichtern. Der Weg an den Almen vorbei ist heute eine Mautstraße...

Wir trinken ein paar Schluck Heißgetränk aus den Thermosflaschen und genießen die unglaubliche Ruhe hier. Nur ein paar Wanderer erklimmen bedächtig Schritt vor Schritt setzend die steile Straße herauf zum Fjell. Eine junge Mutti schiebt in ambitioniertem Tempo bergauf joggend ihren Kinderwagen vor sich her. Boah, sportliche Höchstleistung!

Ihre bunt-professionellen Funktionsklamotten mit Vereinsabzeichen lassen vielleicht auf eine Leistungssportlerin schließen? Wir winken ihr zu und sie grüßt lachend zurück. Als etwas später drei Wohnmobile gleichzeitig auf dem Rastplatz einparken, brechen wir wieder auf.

Unten im Tal cruisen wir durch eine kleine Siedlung ohne Namen. Aber wir sehen hier viele Sportler in Kletterausrüstung, die mit Seilen und Karabinern herumwurschteln. Dann fällt unser Blick auf die steilen Felswände des Synshorn. Oh, schau mal! Da ganz oben hängt tatsächlich eine Seilschaft in der Wand!

Auch zum Bitihorn sind einige Familien unterwegs, die diesen Samstag für eine Wanderung nutzen wollen. Das Wetter ist nicht nur für uns Biker perfekt! Nicht zu kalt, nicht zu warm und Sonnenschein vom azurblauen Himmel...

Die nächsten 15 km lassen wir die Transalps über den schmalen Rv51 dahinlaufen. Es ist eine karge Landschaft, umrahmt von hohen Gipfeln. Wir lieben diese Einsamkeit, deswegen sind wir hier! Keine Menschenseele ist zu sehen, nur diese wilde und unberührte Natur, genau das haben wir gesucht ...

Diesen Gedanken hängen wir nach, als wir vorwarnungslos an einem modernen Wellness-Spa-Conference-Luxusressort von Radisson Blu vorbeifahren. Die nackte Häßlichkeit auf alt getrimmer Steinfliesen mit modernen Holzelementen und die detailverliebte Bauweise postsozialistischer Plattenbauten. Um Himmels willen, wo sind wir! Ein Blick in die Karte erklärt: Das Beitøstolen Ressort markiert den Beginn der einzigen größeren Siedlung in diesem Gebiet...

Beitøstolen erscheint uns wie eine Kopie der furchtbareren Touristenorte im westlichen Österreich. Wenig ist hier authentisch und die Waren in den dutzenden "Antikk-Butikker" schauen verdächtig nach "Made in Taiwan" aus. Modisch und sportiv gekleidete Menschen mittleren Alters schlendern durch den Ort. Zu ehrgeizig blondierte Damen führen auf zu hohen heels zu kleine Hündchen an der Leine und sämtliche Busparkplätze sind gut gefüllt. Wir sind sprachlos über diesen Unterschied zu eben vorhin!

Da kurvt man durch karge Einsamkeiten, kauft bei einem kleinen Holzstand Salami-Würste und Marmelade für die Lieben daheim und ein paar Kurven später steht man an Hotspots des Massentourismus wie zB Ischgl. Nein, hier halten wir nicht an, wir reisen weiter!

Uns macht das Motorradfahren soviel Spaß heute, dass wir weder in Fagernes noch in Gol anhalten. Ein Wegweiser nach Borgund macht Angelika etwas weinerlich, denn es wird ihr deutlich, dass es schon seit Molde eigentlich heimwärts geht. Aber noch sind genug Urlaubstage übrig!

Nach vielleicht 70 km - wir cruisen gerade über das Gol-Fjell - wedelt Dietmar das schon seit Jahren bewährte Handzeichen für "Kaffee, Pause"! Nicht zu früh, denn wir sehen aus den Augenwinkeln am rechten Straßenrand ein winziges Geschäft und 2-3 Tische davor, mit bunten Sonnenschirmen: Kvanhøgd!

Wir schaffen es gerade noch, die Transalps in einer Staubwolke einzufangen und stellen sie mit Schwung vor den kleinen Laden. Oh, das ist ein kleiner Campingplatz! Hier gibts sicher etwas Gutes! Uns ist bei 18°C ziemlich warm geworden, eine Pause wäre jetzt schön!

Wir stapfen in den Laden und suchen zwischen all dem Krimskrams die kleine Theke. Ein knurriger Mann schlurft aus der Küche und stellt sich mit einem kurzen Wort vor: "Einar". Er schüttelt uns wortkarg die Hand. Trotz erheblicher Sprachprobleme schaffen wir es, Kaffee mit Milch und zwei Waffeln zu bestellen. Ob das jetzt funktioniert hat?

Während Didi draußen unter einem Sonnenschirm entspannt, schaut Angelika in den kleinen Flohmarkt, der dem Shop angeschlossen ist. Oh, sie verliebt sich sofort in ein paar Stücke! Alte Häferl, Krüge, Wandteller, Uhren, ja sogar alte und wunderhübsch bemalte Holzmöbel gibt es hier! Nur dem angespannten Packmaß unseres Reisegepäcks ist zu verdanken, dass sie mit leeren Händen wieder herauskommt.

Die Waffeln, die Einar uns dann wortlos und mit ernstem Gesicht hinstellt, schmecken fantastisch! Er hat sie ganz frisch herausgebacken und sie verdienen das Prädikat "beste jemals in Norwegen gegessene Waffel". Als wir unser Begeisterung wortreich Ausdruck verleihen, spielt ein karges Lächeln um Einars Mundwinkel. Was für ein seltsamer, schweigsamer, netter Mann!

Die nächsten Kilometer bis Gol sitzen wir stur ab. Wir sind schon müde und wollen endlich ins Quartier. Vor Gol überraschen uns einige knackige Serpentinen, die vom Fjell ins Tal führen. Die Stadt selbst enttäuscht uns. Sie wirkt seltsam abweisend und wir finden auf den ersten Blick auch kein Café für eine Pause. Also weiter! Auf dem Rv7 geht es nun westwärts durchs Hallingdalen. Eine hübsche Gegend, aber wenig spektakulär.

Es geht relativ gerade dahin und wir lassen den Transalps freie Zügel. Nach etwa 50 km sind wir ziemlich geschafft, als wir plötzlich feststellen: hier kennen wir uns aus! Hier ist die große Kreuzung, wo wir vor einigen Tagen von Geilo Richtung Aurlandsvangen abgebogen sind! Hier in Hagafoss ist unsere Rundreise quasi perfekt.

Nach 10 km biegen wir links auf den uns schon bekannten Campingplatz ein. Vor 7 Tagen haben wir diesen Ort verlassen und wir hoffen, dass wir wieder die nette Hütte Nr. 9 bekommen. Aber der nette Mann an der Rezeption macht uns verständlich, dass Touristen vor uns diese Hütte demoliert haben und nun ist sie nicht benutzbar. Was, bitte? Welche Idioten machen sowas!?

Wir bekommen Hütte Nr. 5 und das entpuppt sich als Glücksgriff! Obwohl sie schon ziemlich abgewohnt ist, ist sie mit drei Zimmern sehr geräumig, hat Fließwasser und die Motorräder können genau davor stehen.

Es ist 16:30 und wir chillen ein wenig, bevor wir uns wieder unser Travellunch anrühren. Leider ist es ziemlich frisch geworden, so essen wir lieber an dem netten Esstisch in der Hütte. Nach einer ausgiebigen Dusche machen wir uns auf den Weg. Wenn wir schon zum zweiten Mal hier sind, sollten wir Geilo auch mal besichtigen. Also latschen wir 2,5 km in den Ort hinein und suchen den Ortskern.

Wir passieren "unsere" CircleK, einen Maschinenpark, eine ausgebrannte Autowerkstatt, einen verlassenen Sportplatz, einen Bahnhof und stellen fest: Geilo hat kein Zentrum! Zumindest nicht das, was wir als gelernte Österreicher darunter verstehen. Die Dreifaltigkeit eines schönen Dorfs: Ortsplatz, Kirche, Kirchenwirt.

Der Ski-Tourismus-Hotspot Geilo erinnert uns an die arktischen Städte, die wir 2017 besuchten: quadratisch, praktisch, zweckmäßig. Aber nicht schön. Café finden wir auch keines und das große dunkelhölzerne Hotel "Highland Lodge" da unten ist häßlich, da wollen wir nicht hin. Vielleicht ist der Ortskern da drüben, auf der anderen Seite der ruhig dahinfließenden Usta? Dort, wo die ganzen Hotelburgen stehen?

Als wir müde zum Campingplatz zurück schlurfen, sehen wir die Zerstörung "unserer" Hütte Nr.9. Die Terrasse ist zersplittert, die Gartenmöbel sind zerbrochen, die Türe hängt schief in den Angeln.. Ein einzelner Sessel liegt weit entfernt im Bachbett unterhalb des Platzes.Wir sind schon zu müde, um uns über diesen fu**ing moron aufzuregen, der so etwas macht und nachdem wir in unsere gut geheizte Hütte geklettert sind, gehen wir schnell schlafen. Gute Nacht, Geilo!

Tageskilometer: 210 km

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Das waren gemütliche Tage! Was meint ihr?

Norwegen? Norwegen!

Mit jedem Reisetag, den ich von eurer wunderbaren Sommerreise durch Norwegen lese, rückt es als Ziel näher. Ich würde so gerne die Chicken-Challenge annehmen, obwohl ich nicht mal wusste, dass Lom nicht Lom heißt sondern Fossbergom. Kein Wunder, dass ich den Ort auf der Karte nie finden kann. Und ich möchte Runde besuchen, die Vogelinsel, von der Claudia mir so begeistert erzählt hat und möchte Puffins fotografieren. Und ich möchte nach Röros. Das scheint wirklich klasse zu sein. Röros rulez!
UND: Einen Circle K Becher kaufen für Pieps und mich. Und Hotdogs und überhaupt alles :-)
Eure Erlebnisse machen wieder richtig Appetit auf Norwegen.
Drück euch beide.
Svenja
PS: "zu hohe heels" giebs ja einklich gar nicht, oder? Wie kann ein Schuh zu hoch, ein Rock zu kurz sein? Das wäre ja wie: Zuviel Entrecote, zu viel Blanchet. Das geeeeht doch gar nicht! :-)

Antw.:Norwegen? Norwegen!

Meine Liebe, so wie das klingt, solltest du wirklich nochmal dorthin. Aber diesmal nicht "zielgerichtet" sondern einfach nur Spazierenfahren!

Røros? Ok! Wir hätten noch den Lofot und Kirkenes auf der Liste ... aber vielleicht erst 2020 und nächstes Jahr eine "einfachere" Genußreise nach Frankreich? Oder Sizilien?

PS.: Heels sind nur dann zu hoch, wenn sie höher sind als meine. :-)))

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zuletzt aktualisiert am 18.3.2024