19. Tag: Røros - Stöllet

Heute am Sonntag verlassen wir Norwegen. Bevor wir sentimental werden, beserln wir schnell die kleine Hütte, räumen unser Zeug in die GIVI-Koffer und klettern auf die Transalps. Um 8:30 verlassen wir bei sonnigen 12°C den Campingplatz bei Os/Røros. Heute stehen keine Besichtigungen am Plan, es geht einfach nur ums Motorradfahren!

Es sind nur ein paar Meter auf dem Fv30 bis zu einer T-Kreuzung. In unserer Karte sollte hier der Ort Os sein, aber hier ist rein gar nichts. Das ist jetzt blöd, denn hier wollten wir etwas Jause für unterwegs besorgen! Wir biegen links auf den Rv28 und geben Gas.

Wir haben schon viel von den einsamen "Waldautobahnen" gehört, aber das erstaunt uns jetzt doch. Die schmale Straße zieht sich in endlosen Geraden und seltenen, dafür weiten Kurven übers annähernd flache Land der norwegischen Hedmark. Der "Wald" besteht aus schütteren Bäumchen links und rechts und so geht es immer geradeaus in die einsame Unendlichkeit.

Nach ein paar Kilometern halten wir an. Wir bleiben mitten auf der Straße stehen, denn hier kommt sowieso nur jeden 3. Donnerstag im Monat jemand vorbei. Da vorne schaut es düster aus! Wir steigen ins Regengewand, schon wegen der Kälte. Bei 8°C ist uns nicht zu warm! Wir lauschen kurz in die Stille. Kein Geräusch außer der Wind, der durch die Bäume streicht.

Tufsingdalen ist eine unglaublich einsame Gegend! Auch dass 1713 für drei Jahre eine Silbermine in Betrieb war, hat die Region nicht ´rausgerissen. Die Einheimischen kommen hierher zum Langlaufen, Wandern und Fischen. Für ihr geliebtes  Friluftsliv  ist das Tufsingdalen perfekt!

Nach 60 km sind wir in Sømadålen. Ob wir hier etwas Eßbares bekommen? Nope! Wir müssen unbedingt mit Freytag & Berndt reden. Die zeichnen Orte in ihre Karte, wo keine Orte sind! Eine verlassene Jagdhütte mit Ortsschild gilt nicht! 

Wir wechseln auf den Rv26 und fahren nun nach der Karte. Keine Herausforderung! Dieser Weg unterscheidet sich vom Rv28 nur durch noch weniger Kurven. Eigentlich geht es jetzt immer geradeaus. Die schütteren Nadelbäume gewähren ab und zu einen Blick aufs flache Land. In der Ferne erkennen wir sanfte Hügelketten, die nicht näherzukommen scheinen.

Als wir die winzige Brücke überqueren, die den Galtjøen-See mit dem Isteren-See verbindet, nieselt es bereits einige Zeit lang. Perfektes Wetter für einen Anglerausflug! Zumindest für die drei Herren, die bei 8°C in hohen Wathosen im See stehen, sich nassregnen lassen und ihr sonntägliches Fischerglück versuchen. Wir frieren schon beim Hinschauen!

Uns fällt auf, dass wir nun 90 km unterwegs sind und keine Menschenseele trafen. Kein Auto, kein Motorrad, keine Fußgänger. Menschenleere Gegend! Wir brauchen etwas Abwechslung und biegen scharf rechts auf den Rv217 ab. Die Straße ist in der Karte "weiß" eingezeichnet. Vielleicht ist die lustig zu fahren? Vielleicht ein bisschen mit ohne Asphalt?

War ein Irrtum. Völlig gerade zieht die wunderbar asphaltierte Straße südwärts. Eigentlich hätten wir schon lange Hunger und in der Karte versprechen Freytag & Berndt in 20 km einen Campingplatz mit Gastronomie!

Als wir an den falunrot gestrichenen Häuschen vorbeituckern, erkennen wir, dass der Campingplatz noch geschlossen hat. Ach nöööö! Am 9. Juni ist offensichtlich noch Wintersperre. Das gleiche gilt für das Kro und die Kafeteria...

Wie schon im nördlichen Finnland und in der Finnmark vermissen wir auf dieser Strecke überdachte Pausenplätze. Die Bäume sind zu dürftig oder zu kurz, um sich darunter zu stellen. Ein kleines, schraddeliges Dach auf morschen Pfosten würde schon genügen, dass man für einen kurzen Moment aus dem Regen kommt! Aber sowas brauchen die hier nicht. Man steht überall ungeschützt im Wetter.

Seufzend biegen wir scharf links auf den Fv653 ab und halten uns Richtung "Engerdal". Es wirkt alles so ungastfreundlich hier! Mit mittlerweile krachendem Magen lassen wir den Transalps freien Lauf. Wer soll hier schon die Geschwindkeit kontrollieren?! Mit den erlaubten 80 km/h versickern wir hier ins Grundwasser!

Zurück auf dem Rv26 dauert es nicht mehr lange, bis die ersten kleinen Bauernhöfe von Engerdal auftauchen. 18 km nach dem verlassenen Campingplatz flüchten wir im kalten Niesel unter das schützende Dach der CircleK-Tankstelle am Ortseingang! 135 km ohne Menschenseele, ohne ein einziges entgegenkommendes Fahrzeug haben uns geschafft.

Uns ist kalt! Ausserdem ist dies die letzte CircleK in Norwegen, die letzte Chance auf Hotdogs und die letzte Chance auf gratis Kakao im Jahresbecher. Nichts wie hinein! Während Angelika im Regal die flauschigen Wollsocken entdeckt, holt Didi Hotdogs. Wir mampfen sie mit Heißhunger in uns hinein und besorgen gleich Nachschub. So pissig kann keine Situation sein, dass Hotdogs nicht alles retten!

Die nächsten 60 km sitzen wir stur ab. Es regnet unablässig und der Fv26 geht nahezu geradeaus. Wir kommen langsam in bewohntes Gebiet. Die kleinen Bauernweiler scheinen heute am Sonntag verlassen. Uns gefallen die kollektiv hellgrün gestrichenen Holzhäuser in dieser Region!

Wir erreichen Trysil im Starkregen. Aus den Augenwinkeln nehmen wir die enormen Skianlagen wahr, die diesen Ort zum größten Skigebiet Norwegens machen. Wir sehen die modernen Liftanlagen und unzählige Lokale, die zum Aprés-Ski einladen. Trysil wirkt wie eine Touristenoase in der Wüsteneinsamkeit. Wir müssen ins Trockene und halten vor dem Ski-Verleih mit angeschlossener Shell-Tankstelle.

Wir holen uns einen schnellen Becher Kaffee, an dem wir im Freien nippen. Angelika entdeckt, dass heute Rosinenboller im Angebot sind. 6 Stück für 59 NOK! Sie stopft den großen Sack ins Topcase. Wer weiß, wo wir die einmal brauchen können? Es ist ein gutes Gefühl, immer Essen an Bord zu haben!

Noch 40 km bis zur Grenze Norwegen - Schweden! Nun, diese Region zeichnet sich nicht gerade durch spektakuläre Straßenführung aus. Wir lassen die Transalps auf der ziemlich eintönigen Strecke geradeaus laufen und hängen unseren Gedanken nach.

Es regnet, mal stärker und mal schwächer und die verschmutzte Fahrbahn ist manchmal heikel zu fahren. Schon lange folgen wir dem Fluß Klarälven, der sich links neben uns hinter den hohen Nadelbäumen dahinschlängelt.

Wir verlassen Norwegen beim winzigen Grenzübergang Långflon. Ausser ein paar bunten Häuschen und dem Schild "Riksgrense" ist hier nichts. Wir wollen ein hübsches Foto machen, aber der Regen verhindert das und so befördert uns Norwegens Wetter mit einem Arschtritt aus dem Land.

Seltsam! Wir sind nun in Värmland und obwohl der Fv26 nur seinen Namen verdreht hat, hat er als Fv62 einen völlig anderen Charakter. Es scheint höher hinauf zu gehen, die Bäume werden niedriger und der Waldboden ist von Flechten und Moosen bedeckt. Ausserdem kommt die Sonne heraus! Zur Sicherheit lassen wir das Regenzeug aber noch an.

Wir genießen das gedankenleere Dahincruisen! Ein gewisser Flow stellt sich ein. Kurve um Kurve, Hügel um Hügel geht es mit den erlaubten 70 km/h dahin. Wir haben ausgemacht, die Strecke bis zum Campingplatz zu halbieren, deshalb halten wir in Sysslebäck kurz an. Meine Güte, ist das ein wunderhübscher Ort!

Während wir Rosinenboller mit warmen Kakao hinunterspülen, schauen wir uns um. Das Tal des Klarälven ist hier weitläufig und ein schönes rotes Holzhaus reiht sich an das nächste. Die Vorgärten sind penibel manikürt und voller Blumenschmuck.

Viele Häuser tragen fein ziselierte weiße Balkonzäune und geschnitzte Wintergärten, die auf dem Rot wie wertvolle Spitze wirken! Überhaupt sind die Häuser hier viel kunstvoller als in Norwegen. Dieses Schweden gefällt uns! So anders als bei der nordgehenden Fahrt vor vielen Tagen, als wir bei Gävle im Sturmregen abgesoffen sind.

Um 16:30 treffen wir am Björkebo-Campingplatz in Stöllet ein. Wir werden von den Chefs bereits erwartet und - nachdem wir den umfangreichen Anmeldebogen ausgefüllt haben - sitzen wir bei Kuchen und Kaffee in der Sonne!

Dieser wunderbare Platz wird von Bianca und Stefan geführt. Bei diesem jungen deutschen Ehepaar hat "Goodbye Deutschland" perfekt funktioniert! Sie entschieden sich vor wenigen Jahren, mit ihren Auswander-Träumen die Urlaubsträume anderer zu ermöglichen.

Dieser Campingplatz ist tatsächlich einer der saubersten und schönsten, die wir je besuchten. Dass Bianca ihr Hobby Kuchenbacken hier zum Wohl ihrer Gäste ausübt, ist nur ein weiterer Pluspunkt!

Wir haben fast ein schlechtes Gewissen, mit unseren Motorrädern durch die flauschig-grüne Grasnarbe zu fräsen und kurven ganz vorsichtig zur Hütte.

Nach unserem üblichen Abendprogramm mit Fotos, Filmchen und Travellunch spazieren wir noch eine Platzrunde zum Ufer des Klarälven, der hier ruhig und gemächlich am Badestrand vorbeifließt. Die Sonne ist untergegangen und es wird ziemlich schnell kalt. Das Rudel Huskies vom Nachbarhof heult lautstark mit den Wölfen in den Wäldern um die Wette. "Die plaudern jeden Abend", erzählte Bianca.

Als es um 21:30 zu regnen beginnt, flüchten wir in unsere warme Hütte Nr. 4. Wir sind müde und entscheiden uns, den Tag zu beenden. Das letzte, was wir hören, ist das durchdringende Heulen der Wölfe, der Symboltiere Värmlands hinterm Haus...

Tageskilometer: 320 km

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Adjø Norge, hej Sverige!

Wolken und Wölfe

< Es ist ein gutes Gefühl, immer Essen an Bord zu haben!

Das ist eine der grundlegenden Weisheiten auf Motorradreisen. Prima, dass das endlich mal jemand hinschreibt. Ich unterschreibe mit Kiel, heutiges Datum, Vor- und Zuname :-)

Die Himmel sehen so dramatisch aus, die ihr eingefangen habt. Die mit einem Rest Sonnenschein unter bedrohlichen Wolken. Das seh ich gerne. Aber einklich nur auf den Fotos anderer. Man selbst weiß: Gleich kann es nass werden. *seufz*

Der Campingplatz sieht schön aus. Den markier ich mir in meinem Google Maps. Da komm ich sicher mal hin. Und ihr habt tatsächlich Wölfe gehört? Schaurig schön. Ein toller Platz, den ihr da entdeckt habt.

Ach ja, Schweden...

Antw.:Wolken und Wölfe

Tjaha, das mit dem Essen ist doch so. Es gibt bloß nicht jeder zu. Obwohl... bei dir sind es eher knorrige Käse und steinharte Würste und bei uns so vanillegefülltes Wienerbrød und Kekse. Immer. :-)))

Das mit den Wölfen im Wald daneben, das war wirklich arg. Die Bianca fand das ganz normal und wir habens überhaupt nicht gepackt!

Dieser Campingplatz besitzt die flauschigste Zeltwiese, die man sich überhaupt vorstellen kann. Da kannst du den Schlafsack direkt drauflegen, brauchst keine Matte drunter. Unglaublich!

Und der Platz ist "deutsch". Im besten Sinne! Gastfreundlich, sauber, korrekt, organisiert, alles funktioniert perfekt, nix hatscht. Die beiden haben ihr Ding wirklich gut in Schuß!

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zuletzt aktualisiert am 18.3.2024