3. Tag: Bad Wörishofen - Lörrach

Um Punkt 8:40 Uhr rollen wir vom Hof. Wir haben allerbeste Urlaubslaune, auch wenn der Himmel heute trüb bewölkt ist. Die Temperatur von 14°C empfinden wir als angenehm! Ja klar, Urlaubstage sind gezählt und wir wollen keine davon wegen ausgefallener Züge vergeuden.

Wir sind zwar heute nicht aus dem Autozug Wien-Feldkirch sondern noch östlich davon aus einem weichen Federbett geklettert, aber heute abends werden wir im Dreiländereck Lörrach sein! Wir sind somit wieder im Plan Richtung Frankreich und alles hat gut funktioniert! Wir hatten schon eine Tasse Kaffee, die wir uns im Zimmer angerührt haben und die neuen Rack-Packs waren schnell aufgepackelt. Wir lieben unser neues Gepäckssystem, es ist so praktisch! Am Motorrad spürt man es nicht und im Zimmer nimmt es so wenig Platz ein!

Weil wir eine längere Strecke vor uns haben und auf Grund der überstürzten Abreise keine großartigen Pläne für heute, bleiben wir erstmal auf der BAB 96 Richtung Westen. Wir sind früh aufgestanden und so finden wir es gemütlich, unsere treuen Transalps einfach dahinlaufen zu lassen.

Trotz aufkommender Langeweile bleiben wir konzentriert, als wir die Kleinstadt Memmingen umrunden. Die historische Altstadt wäre durchaus einen Besuch wert, aber nicht heute. Die ganze Gegend ist ein wenig nichtssagend aber durchaus hübsch. "Schwach hügelig und gepflegte Dörfer mit seltsamen Kunstwerken" ist unser Eindruck von dieser Region.

Schau, wir überqueren die Iller! Über den Fluß mit seiner wechselvollen und manchmal furchtbaren Geschichte verlassen wir Bayern. Wir sind erst 50 Kilometer gefahren, als sich lautstark Hunger meldet. Auch die Hondas brauchen dringend Frühstück und wir finden einfach keine Tankstelle! Wir kurven aufmerksam durch winzige Bauernweiler, doch sie scheinen allenthalben unbewohnt. Was für eine einsame Gegend, hier im östlichsten Baden-Württemberg!

Unsere Hoffnung ruht auf Bad Saulgau, als wir über die weiten grünen Ebenen kurven. Klingt nach einem größeren Kurort, oder? Wir halten die Augen offen nach Frühstück und Tankstelle, als wir durch das Städtchen bollern. Meine Güte, wie verlassen das an einem Mittwoch Vormittag ist! Es ist reines Glück, dass wir am Ortsende eine winzige Tankstelle finden. Eine Zapfsäule. Wir atmen auf.

Die Tanks sind randvoll und hungrig fahren wir zügig weiter. Ja ist denn hier nirgendwo ein Imbiss? Es ist auch kalt geworden und ein wenig Wärme täte jetzt gut. Die Hoffnung auf Frühstück lässt uns in den winzigen Bauernweiler Bad Schussenried abzweigen. Die prachtvolle Kirche ist weithin sichtbar und für uns Österreicher gehören Kirche und Kirchenwirt untrennbar zusammen. Aber hier ist nichts! Nur eine zu groß geratene Wallfahrtskirche zwischen Bauernhäusern.

Wie prächtig sie innen aussieht, werden wir erst zuhause recherchieren. Außerdem begeistert uns das hübsche Pfarrhaus im Fachwerkstil viel mehr. Noch etwas erregt immer wieder unsere Aufmerksamkeit. Schon seit in der Früh kreisen beständig große Greifvögel über unseren Köpfen. Das ist doch auffällig anders als bei uns, wo vielleicht ab und zu mal ein gelangweilter Bussard am Straßenrand sitzt. Wir verrenken uns während der Fahrt oft die Köpfe, um diese großen Tiere zu beobachten!

Aber zurück zum Frühstück! Nur eine halbe Stunde später kurven wir durch den nächsten kleinen Ort: Krauchenwies. Schau, da vorne! An einer T-Kreuzung erkennen wir eine große Filiale von "Backhaus Mahl". Jetzt aber schnell. Energisch wuchten wir die Hondas auf den Gehsteig. Hier bleiben wir!

Während Angelika den Verkaufsraum entert und Kaffee sowie ein dick gratiniertes Fladenbrot ordert, unterhält sich Didi im Gastgarten mit einer Jungfamilie. Sie haben unser Kennzeichen entdeckt und sind sofort herbei geeilt. Sie wollen Tipps für Wien, denn sie fahren nächste Woche dorthin auf Urlaub! Oh, wir geben gerne Ratschläge für Lokale und Plätze in der touristenfreien Zone. Dort, wo Wien noch Wien ist und keine massentouristische Außenstelle von Peking oder Mailand!

Während wir uns im Gastgarten breit machen, fängt es zu nieseln an. Es ist richtig kalt geworden und der heiße Kaffee und Leberkässemmerl (die hier Fleischkäsesemmerl heißen, was zwar historisch unrichtig aber dafür ehrlicher ist!) schmecken lecker! Der Niesel hört auf aber die tiefdunklen Wolken bleiben, als wir etwas später wieder aufbrechen. Es ist genau 12:00 Uhr.

Wir wollen über Meßkirch und Engen Luftlinie bis Lörrach fahren und dies klappt auch fast. Doch irgendwo vor Engen ist unsere schnell gekaufte Karte viel zu ungenau und wir verfahren uns nachhaltig. Auch nach dem Sonnenstand zu fahren, bleibt bei diesem trüben Himmel nur Theorie. Auf einem kleinen Parkplatz neben desolaten Überbleibseln eines Dorfes ordnen wir uns erst mal. Wir brauchen im dichten Wald der Talmühle eine Zeit, die richtige Strecke zu finden. Das Tal ist so eng, dass es Googlemaps nicht herein schafft.

Mit entschlossenem Mut entscheiden wir uns für eine Straße, die mit der Richtung am Kompass halbwegs überein stimmt. Seit einiger Zeit führt Angelika das althergebrachte Navigationsgerät mit sich. Svenja hat es ihr mal zum Geburtstag geschenkt, "damit du nie den Weg verlierst". Also auch für Situationen wie diese hier!

Zügig kurven wir nun bergauf. Der Ausblick weitet sich und wir haben wieder Freude am Fahren! Plötzlich, nach einer schmalen Kurve ... Nein, das gibts doch nicht! Der Hegaublick?! Hier ist das? Hier waren wir schon mal und wir hätten diesen bekannten Bikertreff ganz woanders vermutet. Fröhlich biegen wir auf den Parkplatz und pflanzen uns neben ein paar Harleys auf. Viel ist hier nicht los an diesem Schlechtwettermittwoch!

Während wir vergnügt an unserer heißen Schokolade nippen, werden wir von den Harleyfahrern so ignoriert, wie nur Harleyfahrer es können. Uns stört das nicht, denn wir haben unseren Weg gefunden und es geht Richtung Frankreich! Mit einem letzten entschlossenen "Hegau-Blick" rüber zum Bodensee satteln wir wieder auf und machen uns vom Acker.

Auf winzigen und manchmal einspurigen Güterwegen geht es nun durch den südlichen Schwarzwald. Uns gefällt die dichte, grün-fruchtige Landschaft mit ihren Hügeln und Tälern sehr. Sie erinnert uns an Didis Heimat in Österreich! Bis Lauchringen geht das gut, doch dann schlägt Deutschlands Mobilitätsplanung gnadenlos zu.

Über Waldshut, Laufenburg und Bad Säckingen stehen wir im Stau. Umleitungen, Straßensperren, Baustellen und eine enorme Verkehrsdichte von LKW-Schwerverkehr. Jetzt rächt sich unsere mangelhafte Streckenplanung, aber dafür war wegen unserer überstürzten Abreise für diesen ungeplanten Track keine Zeit mehr. Es ist unfassbar mühsam und gleichzeitig langweilig und wir sind froh, bei Bad Säckingen diese Hauptverkehrsroute zu verlassen.

Wir wollen vom Norden nach Lörrach einreisen und nehmen die B518 über Schopfheim. Für eine letzte Überraschung dieser Fahrt sorgt der dichte Nebel auf dieser kleinen Bergstrecke. Man sieht die Hand nicht vor den Augen und die Straße ist unangenehm nebelfeucht! Schlagartig wird es wieder kalt und wir erinnern uns an 2020, als wir in dieser Gegend um Todtnau auch so gefroren haben.

Ab Schopfheim stauen wir wieder brav im dichten Verkehr aber das ist uns jetzt egal. Die letzten 20 Kilometer kann uns nichts mehr die Fahrt versauen! Wir kennen uns in Lörrach schon ein wenig aus und nur kurz später rollen wir in den kleinen Innenhof unserer Unterkunft. Es ist genau 16:40 Uhr.

Wir machen es uns im hübschen Zimmer gemütlich und mampfen erstmal ein Travellunch. Erst spät entscheiden wir, noch auf ein Bier und Eiskaffee ins Stadtzentrum zu latschen. Es sind immerhin fast zwei Kilometer in eine Richtung! Dieser Umstand wäre uns auch fast zum Verhängnis geworden, aber wir schaffen es im Laufschritt zurück. Die rasant wachsende Gewitterfront über Lörrach schaut so bedrohlich aus...
Gute Nacht, Deutschland! Morgen sind wir schon in Frankreich!

Tageskilometer: 310 km

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Ein unspektakulärer Fahrtag

Schön

Ich finde es schön und auch ein Talent, wir ihr aus einem Fahrtag ,den ihr eigentlich gar nicht wolltet, das Beste herausgeholt habt. So bleiben doch schöne Erinnerungen.

LG Micha

wetter

schade, dass das wetter nicht gut war. bei schönwetter ist das alpenvorland sher schön zu fahren!

ich lese sehr gerne bei euch mit, nur weiter so!

dlzg
der rider

Anreise 2. Tag

< für uns Österreicher gehören Kirche und Kirchenwirt untrennbar zusammen

Kirchenwirt? Das sagt mir so gar nichts. Eine kirchliche Jausenstation mit einem Viertel Messwein zur Oblate? Please explain! :-)

Das Gefühl ist so warm und vertraut, wenn man endlich eine Bäckerei oder ein Café entdeckt und das Motorrad davor abstellt. Möge es Mettbrötchen geben, oder leckere Pizzafladen! Und starken Kaffee.

Und du hast den Kompass einsetzen können? Das freut mich. Das funktioniert besser als man denkt und sogar ohne Batterien und Satelliten.

310 km sind eine ordentlich lange Etappe. Dann schlaft euch erstmal aus. Bis bald in Frankreich...

Gute Nacht sagen
Svenja und Pieps :-)

Antw.:Anreise 2. Tag

:-))) Der Kirchenwirt ist das Wirtshaus neben der Kirche. Das, was einen Ort zum Ort macht. Traditionell geht/ging man (also die Männer) nach der Sonntagsmesse dorthin. Auf "Frühschoppen". Oft mit Livemusik der örtlichen Kapelle, der sog. Ortsmusi. :-))) Und dann wurde gesoffen, während die braven Frauen zuhause das Mittagessen herrichteten.

Der Kirchenwirt ist wichtig! 2. Wohnzimmer, sozialer Treffpunkt. Oft heißen die Wirtshäuser auch "Kirchenwirt" (wenn sie nicht gerade "Zur Post" heißen).
Leider in Zeiten der Jungen eine aussterbende Tradition, weil zB Soziale Medien, Kirchgang etc.... es ändert sich.

Auf jeden Fall ist es immer eine gute Idee, eine Kirche anzufahren, wenn man Hunger/Durst hat. Denn meist gibt es daneben ... den Kirchenwirt!

Fun fact: Gammelstad (S) nebst Luleå ist aus einem Kirchenwirt entstanden. Heute Weltkulturerbe, aber eigentlich ist diese Stadt vor 500 Jahren nur entstanden, weil die Leute nach dem (verpflichtenden!) Kirchgang Spaß, Freude, Soziales und Partner suchten. Und irgendwann blieben sie .... Gammelstad war geboren!

Grüßli von Geli

PS.: Den Kompass LIEBE ich!



Antw.:Antw.:Anreise 2. Tag

Ich bin irritiert … in welchem Bad Saulgau wart Ihr denn? Mein Kleinod in Oberschwaben liegt westlich von Bad Schussenried und somit habt ihr eine Schleife gedreht oder irgendwas anderes ist da passiert.
Natürlich hat auch Bad Saulgau als Vorderösterreichische Stadt - jawohl Obwerschwaben gehörte mal zu Euch! - einen Kirchwirt. Das ist jedoch eher ein modernes Bistro.
Aber um in die Stadt zukommen sollte man nicht die Umgehungstrasse fahren. Ja dann wird es langweilig.

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zuletzt aktualisiert am 17.4.2024