17. Tag: Ringkøbing - Ribe

Angelika sitzt heute mit hochgelagertem Bein am Frühstückstisch, der Fuß ist fest in Eispacks eingewickelt. Die Leute hier sind so nett! Es war überhaupt kein Problem, über Nacht unsere Medikamente und Kühl-Akkus im Eiskasten des Hotels zu lagern. Während Didi unseren Tisch mit guten Dingen vollräumt, ist Angelika unentspannt: Der linke Knöchel wirkt nicht so, als würde er Dutzende Schaltvorgänge mitmachen. Soll sie ohne die Gänge schmerzhaft hineinzutreten einen ganzen Tag herumkurven? Auch die rechte Hand spinnt ´rum und tut nicht so, wie sie soll. So ein Mist! Die zwei wichtigsten Körperteile beim Motorradfahren sind hinüber ...

Aber zuerst stopfen wir begeistert alles in uns hinein, was am Buffet festlich präsentiert wird. Nur die Schnäpse - dekorativ zwischen Marmelade und Rührei aufgestellt - lassen wir wieder aus. Die spinnen doch, die Dänen, stellen wir liebevoll fest. Der Abschied von Ringkøbing fällt uns wirklich schwer.

Heute ist alles ein wenig beschwerlicher als sonst und Didi macht sich erbötig, die schweren Koffer alleine zu den Hondas zu wuchten, die schon erwartungsvoll im Innenhof mit den Hufen scharren. Erst um 11:00 sind wir abfahrtsbereit. Wir lassen es langsam angehen, aber jetzt müssen wir los!

Sind wir gestern an der Westseite des Fjords gen Süden gefahren, so halten wir uns nun an die Ostseite. Die R15/28 ist eine bestausgebaute Bundesstraße, die über saftig-grünes Weideland und durch kleine Wälder führt. Es ist mit sonnig-wolkigen 23°C allerbestes Motorradwetter, als wir die Kleinstadt Skjern passieren.

Der kleine schwarze Kasten in Bodennähe, da eben am Waldrand, der mit dem dicken Kabel, das im Unterholz verschwindet. Das war ein Radargerät, oder? Doch mit uns wird Dänemark nicht reich: Wir halten uns mittlerweile akribisch an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die "Deppensteuer" in diesem Land ist gewaltig und dieses Geld ist in Kaffee und Flødeboller viel besser angelegt!

Leider bekamen wir den weit rechts von uns liegenden Ringkøbing-Fjord nicht mehr zu sehen, als wir in Nørre Nebel eintreffen. Bis jetzt schien uns diese Region einsam und menschenleer. Aber hier brummt es Samstag mittags gewaltig! Deutsche Touristen haben den kleinen Ort in Beschlag genommen und wir finden gerade noch einen freien Platz an der sonnigen Frontseite eines kleinen Cafés.

Während Angelika fluchend über ihr gestriges Missgeschick zu dieser kleinen wackeligen Bank humpelt, checkt Didi zwei große Becher schaumigen Milchkaffee. Wir sind erst eine Stunde unterwegs, aber Angelikas neu entwickelte Schalttechnik ist zwar annähernd schmerzfrei aber ziemlich ermüdend. Wir sitzen eine Zeit lang in der Sonne und beobachten die Menschen, die lustvoll dem Shopping frönen. Wieder einmal stellt Angelika angesichts der vielen kleinen Boutiquen lakonisch fest: Dänen können Mode nicht. Textiles Design ist nicht die Stärke moderner Wikinger!

Hingegen waren deren Vorfahren wahre Influencer des Mittelalters! In bunteste orientalisch angehauchte Mode gehüllt, mit eleganten Flechtfrisuren und mit einem Badefimmel, der sogar den frühen Engländern sauer aufstieß! Die Darstellung als dreckig-verfilzte blutdurstige Barbaren stammt aus historisch zweifelhaften Quellen und ist längst überholt, wie man bei einem Besuch von Haithabu, einer der wichtigsten Wikingerstädte des Nordens erfahren kann...

Die nächsten 40 km lassen wir die Transalps einfach gemütlich dahinrollen. Die Landschaft ist unaufgeregt und wir schauen links und rechts auf das grüne Land, das sich in alle Richtungen platt wie eine Flunder ausdehnt, während wir unseren Gedanken nachhängen. Später werden wir feststellen, dass uns der Osten und Norden Dänemarks viel mehr begeisterte als Westjütland. Ausserdem ist die Sonne verschwunden und es wird schnell kalt.

Auf den R475/447 finden wir mit viel Glück den direkten Weg durch Varde. Zahreiche Kreuzungen und Kreisverkehre später rollen wir in schnurgerader Linie auf Esbjerg zu. Uns fällt auf, dass die Häuschen hier wieder vermehrt aus rotem Backstein gebaut sind. Ein schöner Anblick! Auch das große Fischerei- und Seefahrtsmuseum da rechts erstrahlt trotz seiner modernen Bauweise im anheimelnden Rot.

Da vorne ist schon die Nordsee! Noch schnell den verkehrsreichen vierspurigen Sædding Strandvej überqueren, die Hondas auf den kleinen Schotterplatz wuchten und schon sehen wir aus den Augenwinkeln unser Ziel: Die wuchtige Monumentalskulptur "Der Mensch am Meer" schimmert seltsam kontrastlos gegen den milchigweißen Himmel.

Der auflandige Wind bläst uns scharf ins Gesicht, als wir einen kleinen Holztisch entern. Während wir über dieses neun Meter hohe Kunstwerk lesen und ein paar Kekse mit Heißgetränk hinunterspülen, schauen wir immer wieder auf die grobschlächtigen Männer aus Beton, die seit 25 Jahren mit leerem Blick über das Meer starren. Der reine unverderbte (ausschließlich männliche!) Mensch? Einklang mit der Natur? Tempelstimmung? Sakrale Ausstrahlung? Ein Streif des Göttlichen?

Wir können all dies nicht entdecken, als wir zu den Grundfesten der enormen Statuen latschen und - so wie auch die anderen Touristen - zahlreiche Fotos machen. Wenn nicht an völkische-martialische Machwerke, erinnert uns dieses Kunstwerk an den Felsentempel von Abu Simbel mit seinen vier Ramses-Figuren. Aber die sind doppelt so hoch und 3.300 Jahre älter!

So sehr wir Kunst und Kultur schätzen, hier kommt uns die Beschreibung bei allem Kunstverständnis doch reichlich großspurig vor. Hat Esbjerg zu wenige Sehenswürdigkeiten, dass hier als Touristenattraktion random vier Betonmänner aufgestellt wurden? Nun gut! Been there, done that. Uns fröstelt ein wenig, als wir uns wieder auf die Hondas schwingen und weiterfahren.

Es sind nur 40 km bis zu einer Sehenswürdigkeit, die uns viel mehr interessiert! Oh schau, da ist die Fähre nach Fanø! Meine Güte, was für ein Stau! Wir verlieren die Lust auf die Wartezeit und heben uns diese Insel fürs nächste Mal auf. Wir kurven lieber weiter den Hafen von Esbjerg entlang und sind dankbar, dass Ribe bereits angeschrieben ist. Uns ist heute nicht nach Experimenten, daher nehmen wir die annähernd schnurgerade R24 in den Süden! Wir queren die üblichen Weide- und Ackerflächen, die langweilig bis zum Horizont reichen. Süddänemark ist nicht unser allerliebstes Motorradrevier!

Eine halbe Stunde später erreichen wir Ribe. Wir holen uns noch volle Tanks bei der großen CircleK-Tankstelle am Ortseingang und schon tuckern wir mit suchendem Blick auf dem vierspurigen Plantagevej in das Städtchen. Da, schau! Unvermutet hakeln wir die Gänge hinunter und biegen links ein. Der Skovgrillen! Der große und gemütliche Imbiss kommt uns aus zahlreichen Motorradreisegeschichten schon ganz vertraut vor. Er ist prächtig beleumundet bei einer gewissen Kennerin dänischen Fastfoods!

Google erklärt die Imbissbude nüchtern als "Hähnchengrill"  aber das wird dem Skovgrillen in keinster Weise gerecht: Schwere Holztische, leuchtend rote Sonnenschirme und eine bunte Auswahl an Köstlichkeiten, wie sie in jeder Diätfibel im Kapitel "DON´T!" gelistet sind. Wir entscheiden uns für zwei aussagekräftige fette Würste im Speckmantel, die wir auf Papptellern hinaus tragen. Der "Waldgrill" ist so ein gemütlicher Platz! Während wir den leckeren Imbiss mampfen, schauen wir in die Karte. Ist unser Hostel schwer zu finden?

Nein, es sind nur wenige Meter bis mitten in die Altstadt! Vorbei an Mega-Supermärkten wie Fotex und Lidl und schon biegen wir in die winzige Gasse ein, an deren Ende wir das Danhostel erkennen. Um Punkt 16:30 parken wir die Transalps hinter dem Haus und entern unser hübsches Zimmer im obersten Stock. Wir haben genau jenes Zimmer bekommen, das wir uns so gewünscht haben! Das mit der tollen Aussicht auf die Altstadt am malerisch dahinfließenden Ribe Å!

Nachdem wir die wunderbare Unterkunft beäugt haben, latschen wir noch einige Meter in den historischen Stadtkern, der unmittelbar neben dem Hostel beginnt. Meine Güte, wir haben nicht erwartet, wie wunderschön Ribe ist! Die  älteste Stadt  Dänemarks präsentiert sich so romantisch, wie sie nur sein kann. Wir lassen uns im "Postgaarden" nieder, der seit 350 Jahren ein hübsches Lokal beherbergt. Während wir Bier und heiße Schokolade genießen, beobachten wir das Treiben in dieser bunten, gemütlichen Einkaufsmeile.

Nach einem kleinen Imbiss in unserem Hostel und einem guten Kaffee im hübschen Innenhof gehen wir heute früh schlafen. Wir freuen uns schon sehr auf unseren morgigen Ruhetag in dieser schönen Mittelalterstadt!

Tageskilometer: 130 km

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Der Mensch am Meer und ein Waldgrill

Sorry ich noch mal

Hallo ihr beiden
Ihr habt dort nicht aufgrund einer Kieler Empfehlung ein RIBEBURGER gegessen? Ein Affront :-) . Haben wir an einer ähnlichen Bude, endgeil.
Viele liebe Grüße Melanie und Olaf

Antw.:Sorry ich noch mal

Nö, diesmal haben wir das "Ribbe-Sandwich" (auf österr.: "Stelzensemmerl") ausgelassen. Das ist doch eine Mörderportion jedesmal! :-)
LG Geli und Didi

Wickinger

Hallo ihr beiden
Wir waren 2021 unter Corona Rund um Dänemark unterwegs. Alles was ihr besucht habt war leider geschlossen. War sehr traurig. Bin an Geschichte und Kultur extrem interessiert.
Anmerkung: Der Begriff Wickinger kam erst im 19 Jhd auf und bezeichnete eher eine Person die auf Reisen ging. Im 8 und 9 Jhd. waren unsere geliebten Wickinger eher als Heiden oder bekannter als Northmen unterwegs.
Da die Dänen den Begriff selber benutzen ist wohl dem allgemeinen Sprachgebrauch geschuldet. Toller Bericht. Lese noch weiter.
Viele liebe Grüße Melanie und Olaf
www.gnutzel.de

Antw.:Wickinger

Wow, danke für den lieben Kommi! Fast hätten wir ihn übersehen. :-)

Jo, die Wikinger. Da stimmt einiges nicht an der Darstellung in den bekannten Blockbustern, nicht wahr? Wir sind an dieser Kultur (und an vielen anderen) sehr interessiert!

LG Geli und Didi

Oh ja, der hätte seine Freude

Die Skulptur Mensch am Meer kommt erst durch den Link zu einer Beschreibung der "tourist-Inspiration" richtig zur Geltung. Der erste Eindruck etwas überdimensioniertes hätte ja auch vom Blickwinkel der Fotokünstler stammen können.
Es verwundert mich, daß da niemand auf die Idee kommt, das arische Kunst hier seine Auferstehung findet. Die Auswahl des Kunstwerkes und dessen Begründung und Intentionen würden mich schon interessieren.

Antw.:Oh ja, der hätte seine Freude

Was heißt "niemand auf die Idee kommt"? Dieser Gedanke ist allzu offensichtlich, auch wenn der Stil des "Mensch am Meer" nicht der völkischen Kunst entspricht. Die Beschreibung und die Intention des Künstlers kann man durchaus in diese Richtung interpretieren...
LG

Geschmackssache

Moin, Moin,
Jo, diese Riesen am Meer sprechen mich so gar nicht an. Habe mir die noch nie angeschaut und werde ich wahrscheinlich auch nie tun.
Bin kommt ihr in "mein" Revier. Da bin ich gespannt, was ich kenne von dem, was ihr bereist und welche für mich neue Dinge ihr entdeckt.
Hoffentlich sind Fuß und Hand besser für die Besichtigung von Ribe! Und auch für die weitere Fahrt!!
Liebe Genesungsgrüße
Wibi

Antw.:Geschmackssache

Ja das ist ein seltsames Denkmal dort. Aber ... been there, done that. :-)

Mal sehen, was wir in deinem Revier so entdeckt haben, und wie das flache Land hinter den Deichen auf uns gewirkt hat. :-)))

LG Geli

Statuen am Meer

Leute, das ist komisch! Jetzt war ich schon so oft in Dänemark und auch Ribe ist mir ganz gut bekannt, aber noch nie hörte ich von den "Menschen am Meer" in Esbjerg. Geschweige denn, das ich sie schon gesehen hätte.

Eure Reiseberichte erzählen mir immer wieder etwas Besonderes, was ich nicht kannte, auch wenn mir die Routen eigentlich bekannt sind.

Danke dafür!

DlzG Tom

Antw.:Statuen am Meer

Danke, das nehmen wir als Kompliment! :-)))
LG Didi und Angelika

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zuletzt aktualisiert am 22.3.2024