19. Tag: Mandø

Für heute haben wir ein Abenteuer geplant, auf das wir uns seit langem freuen! Auf dem Weg nach Norwegen standen wir 2018 am Ufer der Nordsee und blickten auf das ständig steigende Wasser, das uns den Weg nach Mandø versperrte. Wir waren für eine Überfahrt auf dem Meeresboden schlicht zu spät gekommen!

Aber heute begrüßt uns der Montag mit strahlendem Sonnenschein und 27°C und wir sind besser vorbereitet: Svenja hat uns vor fast drei Wochen den aktuellen "Tidenkalender" ausgedruckt und erklärt, wie dieser zu verstehen ist: Wir wissen also, wann die Nordsee weg ist und - was noch wichtiger ist - wann sie wieder zurückkommt. Wir wissen auch, wann die Traktorbusse die Touristengruppen auf die Gezeiteninsel Mandø bringen und wir ihnen ausweichen können.

Um 10:15 klettern wir auf die Hondas, nachdem wir einen schnellen Morgenkaffee auf unserem Zimmer geschlürft haben. Es lässt sich nicht gänzlich leugnen, dass wir ein wenig nervös sind. Eine Fahrt über den Meeresboden? Das ist für uns so ungewöhnlich und wir wissen - trotz zahlreicher Youtube-Videos - nicht, wie diese Strecke zu fahren sein wird! Wir haben gelesen, dass jedes Jahr dämliche Touristen aus den Fluten gerettet werden müssen, die in Unkenntnis über Flut und Ebbe einfach losgefahren sind. Die Esbjerger überlegen schon eine Ampelregelung einzurichten...

So umrunden wir Ribe auf der Schnellstraße Richtung Süden: "Mandø 11 km" steht im Kreisverkehr schon angeschrieben. Übers flache Land geht es nun Richtung Meer. Wir sehen die Kreuzung zur "Kammerslusen" und wir wissen seit gestern, dass diese Schleuse Ribe vor vernichtenden Sturmfluten schützen soll. Ein teures Restaurant steht auch dort.

Schon sind wir in Vester Vedsted und kennen uns plötzlich wieder aus. Ja, hier waren wir schon mal! Bei der strahlend weißen Kirche biegen wir rechts ab und halten ohne Verzögerung auf den hohen Damm zu, der die Nordsee vom bewohnten Land trennt. Zügig geht es über den Flutwall auf die andere Seite und schon stehen wir am Ufer der Nordsee. Theoretisch, denn das Wasser ist plangemäß weit weg.

Wir schauen uns um. Unter dem blitzblauen Himmel erstreckt sich das flache Marschland unendlich bis zum Horizont und da drüben erkennen wir die charakteristische Silhouette des Ribener Doms. Vor uns beginnt der 7 km lange Låningsveien, der für Privatfahrzeuge erlaubte Weg nach Mandø. Die Nordsee hat beim letzten Rückzug vor wenigen Stunden eine Menge tiefen kieselrunden Schotter auf den Weg geschaufelt.

Angelika zögert nun ein wenig. Zu fremd ist der Gedanke, dass hier in Bälde wieder das Meer sein wird und ausserdem maulen Schaltfuß und Gashand bei jeder Bewegung. Doch Didis alte Filmkamera ist schnell montiert. Angelika kann neue DJI Osmo leider nicht verwenden, denn die Brusthalterung ist beim Sturz in Søndervig gebrochen. So ein Mist! Aber nun gibt es keinen Grund, länger zu warten, also los! (>>Clip mit alter Kamera)

Beherzt treten wir den 1. Gang ins Getriebe und werfen einen letzten Blick auf das Warnschild, das Touristen vom Ertrinken in den Fluten - oder zumindest vor dem Totalverlust ihres Autos - warnen soll. Groß und deutlich steht hier auch die Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h für die gesamte Strecke angeschrieben.

Die ersten paar Meter sind ganz und gar widerlich zu fahren. Hilflos schwimmen die Transalps durch den tiefen Kiesel. Angelika flucht aus Leibeskräften in den Helm. Nein, das ist nicht ihr Terrain! Didi hat weniger Schwierigkeiten. Das Landkind der 60er Jahre lernte das Zweiradfahren zwangsläufig auf Pisten ohne Asphalt. Das kommt ihm immer wieder zu Gute und so auch hier.

Aber der Weg wird schnell angenehmer. Die abwechslungsreiche Mischung aus trockener Erde, Schotterflecken und ab und zu eine kleine Pfütze erfordert zwar ständig Aufmerksamkeit, ist aber nicht weiter gefährlich. Wir haben uns entschieden, bei der Hinfahrt keine Pause zu machen und so zuckeln wir vorsichtig über den Meeresboden der Nordsee und lassen die Blicke schweifen. Während Didi am Gas dreht und ziemlich Spaß hat, läuft Angelika zumindest nicht Gefahr, Bußgeld für die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit abzudrücken...

Nach ein paar Fotostopps sind wir in 20 Minuten drüben und bollern über einen flachen Deich auf die Insel Mandø. Wir halten kurz und drehen uns um: Schafherden bevölkern den Flutwall: Sie sind nicht nur für ein nettes Fotomotiv da. Ihre Aufgabe ist es, den Deich zu schützen! Der Blick in die Ferne hinüber nach Ribe ist grandios. Für einen zufriedenen Moment genießen wir die Stille hier. Unser Plan ist aufgegangen, wir haben es getan!

Ein schmaler Single-Track führt uns nun 3 km über die Insel. Wir passieren ein paar hübsche Häuschen und landwirtschaftliche Betriebe, die sich vor den rauhen Verhältnissen flach in den Boden ducken. Wie muss es hier bei Sturm- und Regenwetter sein? Doch heute ist keine Gefahr. Die Sonne strahlt ungebremst vom Himmel und wir schwitzen bei 32°C in unsere warme Wäsche. Es ist ungewöhnlich windstill.

Am Ortseingang der winzigen Siedlung "Mandø Sogn" halten wir an einer schmucken Mühle. Das 190 Jahre alte Bauwerk ist wunderschön restauriert und sogar wieder funktionsfähig! Die Leute vom Mühlenausschuss haben sich ganze Mühe gegeben, das Wahrzeichen der Gezeiteninsel würdig zu präsentieren.

Der klitzekleine Ort in den Dünen hat einen Kaufmannsladen für "eh alles", eine bescheidene Kirche, einen Campingplatz und - so weit wir das überblicken können - zwei Kaffeehäuser. Wir parken im trockenen Gras direkt vor dem "Café Mandøpigen". Eine kleine Menge Touristen schart sich um den Kaufmannsladen und schon kommt die nächste Gruppe mit dem Traktorbus an, den wir vorhin auf offener Strecke überholt hatten.

Bei den "Mandømädchen" sind nur wenige Gäste. Die jungen Leute eilen hin und her und servieren riesige belegte Brote und einen ausgezeichneten Kaffee. Wir mampfen zufrieden unser leckeres Frühstück und lassen diesen außergewöhnlichen Ort auf uns wirken. Wie lebt es sich auf so einer winzigen Insel seit hunderten von Jahren? Wir erinnern uns an die Île de Sein, die wir voriges Jahr besuchten. Die kleine bretonische Insel im Atlantik ist ebenso abgeschnitten von der Außenwelt...

Nach der schrecklichen Sturmflut von 1634 war der kleine Ort zerstört und alle Bewohner tot. Doch sieben Menschen waren zufällig gerade am Festland. Sie kamen zurück und bauten ihr kleines Dorf hinter natürlichen Dünen wieder auf. Wie so oft war die Kirche das erste fertiggestellte Gebäude und sie ist einen Besuch wert! Im dänisch-hellen Innenraum findet man Rentier-Geweihe aus der Eiszeit, als Mandø noch Festland war und am Dachboden soll immer ein Sarg lagern. Falls jemand verstirbt und die Insel gerade von der Welt abgeschnitten ist...

Mit den regelmäßigen Überschwemmungen konnte man hier umgehen, trotzdem baute man 1937 einen flachen Seedeich. Über die Abgeschiedenheit ist man hier froh! Die 33 Bewohner von Mandø lehnen den Bau eines modernen und gezeitenunabhängigen Damms sogar ab. Es könnten sonst zu viele Touristen ihr winziges Eiland heimsuchen...

Am frühen Nachmittag packen wir unser Zeug zusammen und machen uns auf den Rückweg. Uns erreicht eine SMS von Svenja: Heute kommt wegen leichtem Ostwind die Flut erst spät zurück! Doch im Gegensatz zu ihr ist uns diese Gegend nicht vertraut und wir fühlen uns ein wenig unter Zeitdruck. Zu fremd und ungewohnt sind die Gezeiten für uns und wir wollen eine ausreichende Zeitreserve, wenn wir über den Meeresboden tuckern! Angelika ist körperlich nicht fit genug für ein Abenteuer in der Nordsee. Wir schwören uns, wiederzukommen, als wir auf die Transalps klettern. Dann wollen wir alles besichtigen und auch mal auf der Insel übernachten!

Jetzt kennen wir die Piste schon. Gelassen bollern wir den Låningsveien Richtung Festland und es sind wirklich nur wenige Stellen, die grauenhaft zu fahren sind.

Wir machen eine lange Pause mitten im Watt und schauen uns um. Wie heißen diese Pflanzen, die alle paar Stunden unter Wasser stehen? (Erst zuhause werden wir recherchieren, dass wir hier erstmals Queller, also essbaren Seespargel gesehen haben.) Ob dieser Weg nach jeder Flut anders aussieht? Wahrscheinlich! Mittlerweile ist auch der Tourismus erwacht und uns kommen drei vollbeladene Traktorbusse und einige Privat-PKWs entgegen.

Noch ein paar Meter durch den miesen tiefen Schotter und schon holpern wir ans Ufer. Angelika lässt sogleich ihre Transalp ausrollen und sich daneben ins weiche Gras fallen. Erstmal den Stiefel ausziehen und den geschwollenen Knöchel massieren. Puuhhh, das war eigentlich recht anstrengend!

Nun genießen wir die Stille rund um uns. Es ist schön hier. Beim letzten Besuch war alles so nass-nebelig und ungemütlich aber heute liegt das flache Marschland so unglaublich friedlich vor uns. Als uns ein österreichisches Pärchen verunsichert fragt, ob sie wohl noch über das Watt fahren können, reagieren wir nun betont lässig: Aber ja! Mit einem Blick auf unsere schöne "Tidentabelle" schicken wir sie los. (Und wünschen ihnen heimlich alles Gute.) Wir sind glücklich und ein klein wenig stolz, dass unser kleines Abenteuer so gut ausgegangen ist!

Wir wollen den Tag gemütlich ausklingen lassen und schon humpelt Angelika wieder zu ihrem treuen Motorrad. Wir düsen noch schnell zum Beginn des Ebbevej, der unweit von hier ist. Wie schon 2018 fräst Angelika durch den Sand ein Stück dem Meer entgegen, während Fußgänger und Radfahrer an dieser Stelle nach Mandø aufbrechen.

Am späteren Nachmittag sind wir wieder in unserem hübschen Hostel in Ribe angekommen. Wir brauchen dringend eine kühle Dusche, denn wir sind bei mittlerweile 33°C vollkommen verschwitzt. Schnell machen wir uns stadtfein und schon bummeln wir über die alte Hauptstraße wieder durch das mittelalterliche Ribe, in das wir uns so verliebt haben. Wir müssen noch Souvenirs kaufen!

Noch einmal kehren wir im alten "Postgaarden" ein und gönnen uns Kaffee, Bier und etwas Süßes. An diesem schönen Sommertag ist viel los und zahlreiche Menschen bummeln durch die Altstadt. Wir sitzen lange an diesem wunderschönen Platz und lauschen der coolen Jazz-Band nebenan, die die Menschen mit ziemlich lässiger Musik begeistert.

Abends hocken wir noch gemütlich im hübschen Vorgarten des Hostels und schauen hinüber auf die uralte Fischerstraße und den alten Hafen. Als pünktlich um 20:00 die traditionellen Nachtwächter vorbeispazieren und an der Sturmflutsäule ihre alten Weisen intonieren, ist es fast so, wie wenn die Zeit stehengeblieben wäre...
Gute Nacht, Mandø! Schlaf gut, Ribe!

Tageskilometer: 50 km

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Endlich waren wir mal in Mandø!

Mandö

Haha, da wollte ich immer schon mal hin aber habe es wegen der Flut nie geschafft. Vielleicht sollte man es nicht einfach per Glück probieren?

Toll, dass ihr hinüber fahren konntet!

DlzG
Tom

Abenteuer

Welch ein Abenteuer. Einerlei, wie der Untergrund gerade ist, das Eigentliche findet im Kopf statt, wenn man sich vorstellt, dass hier gleich ...
Siehe hier: https://www.nordschleswiger.dk/de/daenemark-blaulicht/hochwasser-ueberraschte-autofahrer-bis-zum-hals-im-wasser

Für eure Transalps ist dieser Weg doch das perfekte Biotop. Die mögen das, nur Gelis Fuß heute leider nicht, aber trotzdem tapfer durchgehalten. Gute Besserung dafür.

Dass ihr Ribe und Mandø bei über 30 °C genießen könnt, ist aber auch eine Inselbegabung von euch. Das ist nicht jede Woche so, glaub ich.

Diese wunderbare Stimmung abends in Ribe, das ist beinahe südländisch. Kein Wunder, dass die Dänen ein so zufriedenes Volk sind. Ein wenig davon strahlt auf einen ab, wenn man dort Urlaub macht, empfinde ich.

Ach, ihr Lieben. Wie schön, mit euch zu reisen.
Lieben Gruß,
Svenja

Antw.:Abenteuer

Ja Mandø war ganz außergewöhnlich für uns! Und trotz dem Superwetter ein wenig beklemmend. Aber das ist die Idee im Kopf, nicht wahr? Weil eigentlich ist es eine unspektakuläre Piste in der Ebene, nichts weiter. Wenn da nicht ... tja wenn!
Wenn meine Knochen heil gewesen wären, wäre ich vielleicht ein klein wenig ambitionierter rübergeheizt. So aber? BlosskeinSturzblosskeinSturz.... Sonst hätte mich der ÖAMTC mim Ambulanzjet heimfliegen müssen. Was für eine Schande und Schmach! :-)))

Dass dort auch ganz (ganz!) anderes Wetter sein, kann, war uns jede Minute klar. Man sieht es an der Bauweise der Häuser. Und an den Sturmflutsäulen, die überall herumstehen. ;-) Nö, wir hatten an dem Tag so ein unglaubliches Glück!

Umarmung
Geli

Moin

Moin,
Ja in der Tat kam die Flur spät. Wir sind an diesem Tag im ca 14 Uhr noch hin und zurück gefahren und die Nordsee war noch weit weg, wegen eben diesem ablandigen Wind. Bei YT gibt es ein Video, wo dänische Enduristen über den Ebbevej nach Mandö fahren

Menno

Warum geht wieder nur der halbe Beitrag raus???
Also hier nochmal das Ende meines Beitrages: Schön, dass eure Reise hier weiter geht, danke euch,
Nordisch liebe Grüße
Wibi

Antw.:Moin

Über den Ebbevej? Na halleluja, dort möchte ich nicht mit Motorrad hinüberrollen müssen. Das ist doch etwas für 2 Beine oder 4 Hufe, oder? :-)))

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zuletzt aktualisiert am 17.4.2024